Fachhochschulen sind Motor für Innovation

Im Gespräch mit Prof. Dr. Marcus Baumann

Der Bedeutungszuwachs, den Fachhochschulen in den vergangenen 15 Jahren erfahren haben, ist immens: Heute liegt die Beschäftigungsquote bei 120 Prozent, es gibt doppelt so viele Studierende, das Drittmittelaufkommen hat sich vervierfacht. Können die Arbeits- und Studienbedingungen in Forschung und Lehre mit dieser Entwicklung Schritt halten? Die GuW sprach darüber mit Prof. Dr. Marcus Baumann, Rektor der FH Aachen und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der FH Aachen / Hans W. Krämer Fachhochschulen NRW e.V..

GuW: Ist die Personalstruktur der nordrheinwestfälischen Fachhochschulen angesichts ihrer rasanten Weiterentwicklung noch zeitgemäß? Welche Aufgaben kommen insbesondere auf die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen zu?

Prof. Dr. Marcus Baumann: Bei Gründung der Fachhochschulen in den 1970er Jahren waren Forschung und Entwicklung keine vordergründigen Themen. Es ging um Ausbildung und Lehre auf wissenschaftlichem Niveau, sowohl im technischen Bereich bei den Ingenieur*innen als auch bei den bis dahin nicht akademischen Berufen im Sozialbereich. Entsprechend wurde die personelle Ausstattung der Fachhochschulen bezüglich der Mitarbeiter*innen auf niedrigem Niveau „zur Unterstützung der angeleiteten Lehre“ eingerichtet, sodass wir es heute mit einem Verhältnis von einer Mitarbeiter*innen-stelle auf drei Professuren zu tun haben. Mit der Entwicklung der Fachhochschulen zu Hochschulen für angewandte Wissenschaften Ende der 1980er Jahre wurde ihr Aufgabenspektrum deutlich erweitert. Fachhochschulen sind heute als regional fest verankerte Partner des Mittelstands wichtiger Teil des Innovationsprozesses in Deutschland auf dem Weg von der grundlagenforschungsbasierten Erfindung über die Applikationsidee zum innovativen Produkt oder Verfahren.
Damit ist der Ausbau des akademischen Mittelbaus zur Förderung der Forschung und einer forschungs- und entwicklungsorientierten Lehre an den Fachhochschulen im Rahmen der stark gestiegenen Forschungs- und Transferaktivitäten unumgänglich. Schon heute wird eigenverantwortliche Lehre an wissenschaftliche Mitarbeiter*innen übertragen, um Freiräume für Forschung zu schaffen. Auch in der Innovationsforschung ist die Unterstützung durch einen qualifizierten Mittelbau unumgänglich. Dies macht den Stärkungsbedarf unseres Hochschultyps im akademischen Mittelbau besonders deutlich. Ein wesentlicher Schritt zur Stärkung des Mittelbaus liegt auch in der Eröffnung weiterer und neuer Promotionsmöglichkeiten an unserem Hochschultyp.

Die Fachhochschulen haben auch im Bereich der Forschung eine zentrale Funktion.  Sehen Sie hier für  Masterabsolvent*innen  gleiche Chancen bei der Promotion wie an Universitäten?

Die Zahl der Promotionen von Fachhochschulabsolvent*innen steigt. Dies zeigt sich auch in der steigenden Zahl kooperativer Promotionen. Dennoch gibt es an universitären Fakultäten nach wie vor Vorbehalte gegen diese Form der Promotion. Auch wenn die Universitätsleitungen hier deutlich offener sind, scheitern konkrete Vorhaben häufig auf der Ebene der Fakultäten und der Professor*innen. Mit dem Graduierteninstitut für angewandte Forschung der Fachhochschulen in NRW (GI NRW) wollen wir die kooperative Promotion weiter stärken und bislang verschlossene Türen aufstoßen. Hilfreich hierbei wären eigene Förderprogramme, die nur unter Beteiligung des GI NRW zugänglich sind. Sie könnten eine wichtige Anreizfunktion für die Kooperation darstellen.

Heinz-Joachim Henkemeier, Sprecher der Kanzler*innen der Fachhochschulen NRW,  meint: „Eine nachhaltige Finanzplanung und ein konfliktfreies Finanzmanagement werden an den Fachhochschulen von Jahr zu Jahr schwieriger.“ Teilen Sie diese Klage? Was heißt das für die Beschäftigten, insbesondere für den wissenschaftlichen Mittelbau?

Die Politik trägt zurecht an uns Hochschulen die Erwartung heran, dass wir unsere Anstellungspraxis ändern und stärker auf Entfristungen setzen. Wenn die Finanzierung auch schon von Grundaufgaben in Lehre und Forschung aber immer stärker von zeitlich befristeten Programm- und Projektmitteln abhängig ist, fehlt uns dafür die notwendige finanzielle Verlässlichkeit, um dauerhafte Stellen einzurichten. Daher ist es dringend nötig, dass es zu einer Trendumkehr kommt: weg von immer mehr befristeten Programmfinanzierungen, hin zu einer dauerhaft verlässlichen und auskömmlichen Grundfinanzierung. Das Auslaufen des Hochschulpakts in dieser Legislaturperiode von Landtag und Bundestag ist dabei eine entscheidende Zäsur. Jetzt besteht die Chance zur Verstetigung der Mittel. Diese Chance muss unbedingt genutzt werden!

Wie ist aus Ihrer Sicht die Zukunft  des „Vertrags  über gute Beschäftigungsbedingungen für das Hochschulpersonal“ nach dem Regierungswechsel einzuschätzen? Welche Effekte des Vertrags sehen Sie?

Als Fachhochschulen stehen wir zu den Vereinbarungen des Vertrags und zum Leitbild der Guten Arbeit. Entscheidend für die Einhaltung dieser Bedingungen sind dauerhafte und verlässliche Hochschulfinanzen. Der Vertrag hat die Hochschulen für bestimmte Problemfälle nochmals besonders sensibilisiert. Die ständige Kommission zur Weiterentwicklung und Evaluation fördert den Austausch untereinander – auch von Best-Practice-Beispielen. Frühere Gräben der Auseinandersetzung sind inzwischen überwunden und wir sind bei einem konstruktiven Miteinander der beteiligten Akteur*innen angelangt. Welche Akzente die neue Landesregierung in diesem Punkt setzen wird, bleibt abzuwarten.

Die Fachhochschulen haben einen maßgeblichen Anteil an der Erhöhung der Studierendenquote in NRW. Was muss getan werden, um die Qualität des Studiums angesichts einer wachsenden sozialen Heterogenität der Studierenden zu sichern?

Als Erstes ist hier wieder die Finanzierungsfrage zu nennen. Der Landeshochschulentwicklungsplan formuliert das Ziel, die Aufnahmekapazitäten im Verhältnis von 40 zu 60 zwischen Fachhochschulen und Universitäten zu verteilen. Darauf muss auch eine entsprechende finanzielle Stärkung der Fachhochschulen folgen! Wünschenswert wäre zudem eine Veränderung schulischer Curricula, die stärker auf die Festigung und Einübung bestimmter Grundfähigkeiten und -fertigkeiten setzt und weniger Spezialwissen fordert, das später Gegenstand der Hochschulbildung ist. Die vorherige Landesregierung hat unter anderem mit den Talentscouts bei der Heterongenität einen besonderen Schwerpunkt ihrer Hochschulpolitik gesetzt. Welche Pläne die neue Mehrheit im Landtag hierzu hat, ist noch nicht näher bekannt.

Sie fordern eine stärkere Rolle der Fachhochschulen in der Ausbildung von Berufsschullehrer* innen und Lehrkräfte in den  technischen Fächern. Warum?

Wir erleben einen wachsenden Bedarf nach Berufsschullehrer*innen. Gleichzeitig bleibt die Lehrer*innenausbildung bis auf wenige Modellprojekte auf die Universitäten beschränkt. Dabei bieten Fachhochschulen gerade in den technischen und sozialen Fächern erstklassige Möglichkeiten, sich an der Lehrer*innenausbildung zu beteiligen. Dieses Anliegen wird übrigens genauso vom Stifterverband mit seiner Berufsschullehrerinitiative unterstützt.

Von den Fachhochschulen wird zunehmend erwartet, dass sie sich neben Lehre und Forschung in der sogenannten Third Mission engagieren. Ist das überhaupt noch mit dem hohen Lehrdeputat, das Fachhochschulprofessor*innen leisten, zu vereinbaren?

Third Mission und Transfer sind für uns als Fachhochschulen gleichwertige Leistungsdimensionen neben Forschung und Lehre. Die Rahmenbedingungen spiegeln diese Gleichwertigkeit gegenwärtig aber noch nicht adäquat wider. Die Anwendungsorientierung unseres Hochschultyps ist ein echter Vorteil für einen erfolgreichen Transfer. Fördermöglichkeiten sind aber nicht ausreichend strukturiert und dem Bedarf entsprechend ausgestattet.
Es ist gut und richtig, die Grundlagenforschung in Deutschland in hohem Maß zu unterstützen, entsprechende finanzielle Programme sind etabliert. Aber es hapert deutlich an der Umsetzung der Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung über Applikationsideen in innovative Produkte. Das ist der Flaschenhals: Viele brillante Erfindungen und Ideen bleiben liegen oder geraten in Vergessenheit. Um die kleine und mittelständische Wirtschaft zu stützen, müssen Entwicklungsvorhaben gefördert werden, die unmittelbar zu nützlichen Produkten führen. Deshalb fordern wir beispielsweise die Gründung einer Deutschen Transfergemeinschaft parallel zur Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Profitieren würden Forschung und Transfer zudem von einer echten eigenen Grundfinanzierung für Forschung an Fachhochschulen.

Die Fragen für die GuW stellte Berthold Paschert, Pressesprecher und Hochschulreferent der GEW NRW.

Fotos: REHvolution.de, Jonathan Schöps / photocase.de

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