Akkreditierung: Aus der Traum von weniger Bürokratie

Akkreditierungsrat fällt künftig Entscheidungen

Das Akkreditierungsverfahren sollte sich durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes grundlegend verändern. Was bleibt, sind fehlende Qualitätskriterien für die Arbeitsbedingungen der Hochschulbeschäftigten und eine große Portion Ernüchterung.

Die „Akkreditierung“ ist das unbeliebte bürokratische Monster vieler Hochschulen und Universitäten. Das umständliche Verfahren bindet Ressourcen und Universitätsbüros wünschen sich schon lange eine Veränderung, manche sogar eine vollständige Abschaffung dieses Verfahrens.
Entsprechend groß war die Euphorie der Hochschulbeschäftigten, als das Bundesverfassungsgericht im Februar 2016 urteilte, dass wesentliche Entscheidungen durch den Gesetzgeber selbst zu treffen seien. Auch aufseiten der Gewerkschaften gab es kurzfristig optimistische Töne, dass durch eine neue Form der Akkreditierung eine Verbesserung von Studien- und Arbeitsbedingungen möglich sei.
Doch die Entwürfe zum Staatsvertrag liefen nur auf eine minimalinvasive Berichtigung der Rechtslage hinaus. Die Praxis ändert sich nur unerheblich. Soviel ist seit Herbst 2016 klar. Mittlerweile sind auch die Rechtstexte öffentlich und werden nach und nach in den Landesparlamenten verabschiedet. Das Wort „Ernüchterung“ beschreibt das Gefühl bei der Analyse der Änderungen noch zu zaghaft.

Anderes Gremium, identischer bürokratischer Aufwand

Grundsätzlich wird die endgültige Akkreditierungsentscheidung an den Akkreditierungsrat übertragen, der in diesen Angelegenheiten eine professorale Mehrheit hat. Die Akkreditierungsagenturen bleiben jedoch dazwischengeschaltet. Auch wenn sie keine Entscheidungen mehr fällen, begleiten sie weiterhin Anträge. De facto bleibt es beim bekannten Akkreditierungswesen mit der kleinen Modifizierung, dass künftig ein anderes Gremium auf Basis der Arbeit der Agentur entscheidet. Wer auf schlankere Verfahren gehofft hat, geht ebenso leer aus wie diejenigen, die auf inhaltliche Erneuerungen gesetzt haben.
Die Kriterien zur Akkreditierung sind wortgleich geblieben und werden die eifrige formale Durchsicht von Modulhandbüchern und Prüfungsordnungen auf schwerwiegende Additionsfehler garantiert nicht beenden. Auch die Qualitätssicherung bei Gutachter*innen ist kein Thema mehr und so werden auch in Zukunft unsinnige Auflagen entstehen, weil beispielsweise zwei Teilstudiengänge in einem Gutachten offenkundig verwechselt wurden. Eine substanzielle inhaltliche Überprüfung der Studiengänge findet nicht statt. Der Wildwuchs der Bachelorstudiengänge – aktuell mehr als 8.000 verschiedene in Deutschland –,
der die Bildung entweder einer Ausbildung für einen eng begrenzten Arbeitsmarkt oder dem Geltungsbewusstsein einzelner Hochschul-angehöriger opfert, wird nicht bekämpft. Die Qualität der Lehre wird nicht überprüft. Es reicht, ausreichend Evaluationsbögen zu produzieren. Welche Ergebnisse sie zeigen und welche Veränderungen folgen, bleibt unklar.
Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sind keine Qualitätskriterien. Auch wenn die formale Stellenausstattung überprüft wird, ist es nicht relevant, wie vorhandene Stellen in Arbeitsverträge umgewandelt oder zersplittert werden. Der wissenschaftliche Mittelbau und teilweise auch die Professor*innen sind gefangen in einer prekären Abhängigkeit, weil mit allen Mitteln des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes verhindert wird, dass sie Planungssicherheit bekommen – obwohl die Qualität in der Lehre nur mit gesicherten Perspektiven umsetzbar ist. Ein Qualitätszirkel, der bei jedem Durchgang die Hälfte der Beteiligten auswechselt, kann nie effizient arbeiten.

Impulse zu Studien- und Arbeitsqualität einbringen

Wie sollten Gewerkschaften in dieser Situation reagieren? Einerseits bietet der Beitritt der GEW NRW zum gewerkschaftlichen Gutachter*innennetzwerk die Möglichkeit, als Gutachter*innen in den Prozess einzugreifen. Weil es weder eine positive noch eine negative Qualitätssicherung für Gutachten gibt, kann auch die Bildungsgewerkschaft relevante Impulse zur Studien- und Arbeitsqualität über diesen Weg einbringen. Andererseits müssen gewerkschaftliche Themen in der Hochschule vertreten werden. Die formale Macht der Qualitätssicherung und der Evaluation bietet die Chance, Strukturen von innen zu verändern.

Dr. Frédéric Falkenhagen
Mitglied der Fachgruppe Hochschule und Forschung und im Leitungsteam des Referats E (Hochschule und Forschung) der GEW NRW

Foto: simonsdog / photocase.de

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