Wahlkampfthema Schulzeitverkürzung

Landtagswahlen 2017

Die Abkopplung der Sekundarstufe I des Gymnasiums von allen anderen Schulformen und der fehlende mittlere Schulabschluss bei der Versetzung in die gymnasiale Oberstufe bleiben die Hauptprobleme von G8. Die GEW NRW fordert seit Beginn der Debatte eine langfristige Lösung zusammen mit einer Reform der gymnasialen Oberstufe. Nun ist es soweit: Die bevorstehenden Landtagswahlen im Mai 2017 haben inzwischen in fast allen politischen Parteien Denkprozesse in Sachen Schulzeitverkürzung in Gang gesetzt.

Die FDP will eigentlich an der Schulzeitverkürzung festhalten, aber jedem Gymnasium freistellen, wieder einen neunjährigen Bildungsgang einzuführen. Die CDU hält sich noch bedeckt.

DIE GRÜNEN wollen flexibilisieren

Sylvia Löhrmann verkündete als Spitzenkandidatin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen ganz neuen Ansatz: Man müsse weg von der Diskussion um Strukturen und stattdessen die individuellen Lernwege von SchülerInnen unterstützen. SchülerInnen könnten in unterschiedlich langen Zeiträumen zum Abitur gelangen. Dabei verwies sie auf ein Gymnasium in Alsdorf, das die Dalton-Pädagogik erfolgreich einsetze und durch eine Kombination aus klassischem Unterricht und Elementen der  Selbstständigkeit den individuellen Bedürfnissen der SchülerInnen gerecht werde. Dieser Vorschlag sorgte in der Öffentlichkeit eher für Irritationen als für Klarheit. Spätere Ergänzungen machten deutlich, dass dieses Konzept natürlich prinzipiell in jeder Schule möglich ist und eine Variante der Flexibilisierung von Lernwegen darstellt.

Die SPD will zurück zur sechsjährigen Sekundarstufe I

Die SPD legte kurz darauf ein anderes Konzept auf den Tisch, dessen Eckpunkte inzwischen vom Landesparteitag der SPD verabschiedet worden sind. Im Kern geht es um die Wiederherstellung der sechsjährigen Sekundarstufe I.
 Dabei soll durch eine Doppelfunktion der Klasse 10 auch die Möglichkeit gewahrt werden, dass SchülerInnen nach zwölf Schuljahren die Abiturprüfung ablegen können. Genauso sollen aber ein elftes Schuljahr vor dem Einstieg in die Qualifikationsphase oder ein Auslandsschuljahr ermöglicht werden.

Die GEW NRW fordert eine umfassende Reform

Die Hauptprobleme, die sich durch die Streichung des zehnten Schuljahrs ergeben, können weder mit einer Reduzierung der Hausaufgaben noch mit einer Vorgabe zur maximalen Zahl von Nachmittagen mit Unterricht oder Ähnlichem gelöst werden. Dem Vorschlag der GEW NRW nach einer sechsjährigen Sekundarstufe I verbunden mit einer flexiblen Oberstufe, die in zwei, drei oder vier Jahren durchlaufen werden kann, kommt das Modell der SPD schon sehr nahe, auch wenn viele Einzelheiten noch nicht ausgearbeitet sind.
Die GEW NRW verbindet mit der Reform zugleich auch den Wunsch nach einer Wiederherstellung der Orientierungsstufe mit den Klassen 5 und 6 in allen Schulformen. Das geht aber nur, wenn auch das Einsetzen der zweiten Fremdsprache beziehungsweise des Wahlpflichtbereichs I von Klasse 6 wieder auf Klasse 7 verschoben wird. 
Genauer zu klären bleibt auch, wie die Doppelfunktion der Klasse 10 praktisch ausgestaltet sein soll. Wenn die SchülerInnen sich eben nicht bereits im vierten Schuljahr für den acht- oder neunjährigen Bildungsgang entscheiden müs-sen, sondern erst später, muss genau geklärt sein, zu welchen Zeitpunkten Weichenstellungen nötig sind.

Elterninitiative will zurück zu G9

Die Elterninitiative „G9 NRW jetzt“ will trotz der verschiedenen Vorschläge ein Volksbegehren auf den Weg bringen. Dabei soll insbesondere ein Abitur nach 13 Jahren „ohne Pflicht zum Nachmittagsunterricht“ ermöglicht werden. Eine Umfrage der Landeselternschaft der Gymnasien NRW e. V. hat diese Forderung bestätigt – fast 80 Prozent der Befragten votierten hier für die Rückkehr zu G9. Dass gerade gebundene Ganztagsschulen zu mehr Chancengleichheit führen und dass auch Eltern über die in die Debatte eingebrachten Vorschläge der Parteien diskutieren wollen, scheint nicht zu interessieren.
Bei allen notwendigen Veränderungen muss klar sein: Nicht jedes Gymnasium muss ein eigenes Konzept entwickeln, damit die Reform nicht auf dem Rücken der Lehrkräfte umgesetzt wird.

Dorothea Schäfer, Vorsitzende der GEW NRW

Fotos: Serg Salivon / fotolia.com

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