Teilzeitlehrkräfte benachteiligt

Arbeitszeitstudie der GEW Niedersachsen

Belastung an Schulen geht in den meisten Fällen einher mit der Höhe der Arbeitszeit und hier insbesondere der Unterrichtsverpflichtung. Seit Jahren fordert die GEW NRW eine deutliche Verkürzung der Arbeitszeit und die Rücknahme der eigentlich befristeten Arbeitszeiterhöhung für BeamtInnen in NRW. Rückenwind kommt von der GEW Niedersachsen, die die Ergebnisse ihrer umfassenden Arbeitszeitstudie vorgelegt hat.

Auch die Rechtsprechung hat mittlerweile die Brisanz des Themas erkannt und in grundsätzlichen Entscheidungen zu Fragen der Arbeitszeit endlich zugunsten von Lehrkräften erkannt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg etwa hatte die Arbeitszeiterhöhung für Gymnasiallehrkräfte in Niedersachsen für rechtswidrig erklärt – unter anderem ein Erfolg der GEW Niedersachsen, die in einer Pilotstudie die Arbeitszeit am Hannoverschen Tellkampf-Gymnasium erfasst hatte.

Mammutprojekt mit Aussagekraft

An diesen Erfolg knüpfte die niedersächsische Bildungsgewerkschaft  mit einer weiteren, deutlich umfänglicheren Untersuchung an, durchgeführt von Dr. Frank Mußmann und Dr. Thomas Hardwig von der Universität Göttingen.Entstanden ist ein einjähriges Mammutprojekt, an dem sich vom Frühjahr 2015 bis zum Frühjahr 2016 2.869 Lehrkräfte aus 255 Schulen beteiligten.
Die Arbeitszeit von beamteten und tarifbeschäftigten Lehrkräften entspricht der aller LandesbeamtInnen – in Niedersachsen 40 Stunden in der Woche. Dabei haben LehrerInnen aufgrund der Schulferien häufiger unterrichtsfreie Tage und ihre Arbeitszeit wird nur zu einem Teil – als Unterrichtsverpflichtung – festgesetzt, während der zeitlich größere Teil flexibel ist. Dies ist der unsichtbare Anteil der LehrerInnenarbeit, der nicht vor der Klasse stattfindet und den die Studie der GEW Niedersachsen sichtbar macht.
Dazu haben die Wissenschaftler der Universität Göttingen gemeinsam mit ExpertInnen der GEW  Niedersachsen ein Kategoriensystem entwickelt: Gegliedert nach rund 20 Kategorien erfassten die TeilnehmerInnen mit Hilfe der Software TimeTracker minutengenau ihre Arbeitszeit, deren Lage sowie deren Gegenstand. Über einen komplexen Rechenweg, den der Abschlussbericht der Studie ausführlich erklärt, gelingt der Vergleich: Die tatsächliche Arbeitszeit der Lehrkräfte kann der vorgeschriebenen Arbeitszeit gegenübergestellt werden, die sich aus der 40-Stunden-Woche mit sechs Wochen Urlaub ergibt.

Die zentralen Ergebnisse

Die Ergebnisse sind für drei Schulformen repräsentativ: Gymnasien, Grund- und Gesamtschulen. Die Ergebnisse der anderen Schulformen haben lediglich den Charakter von Pilotstudien.

  • Die Arbeitszeit von Lehrkräften liegt über dem Sollwert der 40-Stunden-Woche.
  • Im Durchschnitt werden an Gymnasien 3:05 Stunden mehr gearbeitet, an Grundschulen sind es 1:20 Stunden. Allein am Gymnasium sind das etwa 50.000 unbezahlte Überstunden pro Woche und circa zwei Millionen Überstunden pro Jahr.
  • Teilzeitlehrkräfte leisten enorm viel unbezahlte Mehrarbeit: an Gymnasien 4:07 Stunden, an Gesamtschulen 2:31 Stunden, an Grundschulen 2:00 Stunden pro Woche.
  • Vollzeitlehrkräften fehlt die Zeit für Vor- und Nachbereitung.
  • Es gibt entschieden zu wenig Zeit für außerunterrichtliche Tätigkeiten an Grundschulen.
  • Fast jede fünfte Vollzeitlehrkraft an Gymnasien arbeitet über 48 Stunden pro Unterrichtswoche, an Grundschulen ist es jede sechste, an Gesamtschulen jede siebte.
  • Auch bezogen auf die Gesamtheit aller Voll- und Teilzeitbeschäftigten in den drei Schulformen gibt es eine hohe Arbeitsbelastung während der Unterrichtszeit: an Gymnasien und Grundschulen knapp über 45 Stunden und knapp über 43 Stunden an Gesamtschulen.
  • Pausen und Erholungszeiten während der Schulwochen gibt es so gut wie nicht: Zwei Drittel aller Lehrkräfte arbeiten an fast jedem Wochenende.
  • 54 Prozent arbeiten trotz Krankheit an Unterrichtstagen, auch vor der Klasse.

Folgerungen auch für NRW?

Im Rahmen der Arbeitszeitkonferenz der GEW NRW am 24. September 2016 hat Rüdiger Heitefaut, Gewerkschaftssekretär für Tarif- und Beamtenpolitik der GEW Niedersachsen, die Arbeitszeitstudie vorgestellt. Wie lassen sich die Ergebnisse aus Niedersachsen auf die durchaus ähnlichen Verhältnisse in NRW übertragen? Können auch juristische Schritte zu unbezahlter Mehrarbeit und überdurchschnittlicher Bean-spruchung von Teilzeitkräften helfen? Die GEW NRW wird diese Fragen in ihren Gremien sorgfältig auswerten und konkrete Forderungen an die Politik zur Umsetzung einer gesunderhaltenden Arbeitszeit entwickeln.
Klar ist schon jetzt: Die Studie und auch die jüngste Rechtsprechung zeigen, dass es vorbei ist mit weiteren Arbeitszeit- und Belastungserhöhungen. Der Dienstherr in NRW wird die nächste Änderung der Verordnung zu § 93 Schulgesetz, die unter anderem Regelungen zu den Pflichtstunden für Lehrkräfte enthält, auch unter diesen Gesichtspunkten prüfen müssen. 

Ute Lorenz, Referentin für BeamtInnenrecht und Mitbestimmung der GEW NRW

Foto: REHvolution / photocase.de

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