Hochschulbau: Interessen der Beschäftigten schützen

Kommentar: Gewerkschaften und Personalvertretungen müssen hartnäckig sein

Wenn eine Hochschule umbaut, sind die Interessen der Beschäftigten entscheidend: Spätestens wenn die neuen Räume zu klein, zu dunkel oder zu hellhörig sind, kommt es zu massiven Konflikten zwischen Planer*innen und Mitarbeiter*innen. Warum Interessensvertretungen daher von Anfang an in Baupläne eingeweiht werden sollten, kommentiert Personalrat Gunnar Ketzler.

Seit einigen Jahren kommt es an vielen Hochschulstandorten nach teils jahrzehntelanger Pause wieder zu Bauaktivitäten, der „Sanierungsstau“ ist jetzt auch ein öffentliches Thema. Gut, dass der überalterte Baubestand runderneuert wird, denn hier liegt vieles im Argen. Gut auch, dass endlich Luft geschaffen wird, denn der erhebliche Personalzuwachs der vergangenen Jahre wurde regelrecht in die ausgelasteten Gebäude hineingequetscht. Die Wiedergeburt des Hochschulbaus ist fällig, bietet Chancen für Lehrende und Lernende, ist aber auch eine Herausforderung für Gewerkschaften und Personalvertretungen (PV), denn die Situation ist bei genauerem Hinsehen oft kompliziert.

GEW-Kolleg*innen sollten wachsam sein und sich aktiv einbringen!

Im Vorfeld der Planung, während der Planung und Bauausführung oder bei der späteren Einrichtung der Arbeitsplätze sind GEW-Kolleg*innen besonders gefordert: Sie sind aufgerufen, nicht nur die formalen Bestimmungen zum Schutz der Beschäftigten im Auge zu haben und diesen zum Beispiel in den PV Geltung zu verschaffen. Wenn neue Lernorte entstehen, sollten die Kolleg*innen darüber hinaus die Belange der Lehrenden und Lernenden in die Planung einbringen – und das ist meist schwierig: Mit der Verselbstständigung der Hochschulen herrscht das Direktionsrecht auch in Bauplänen. Exzellenzinitiativen haben einen neuen Repräsentationsehrgeiz befeuert. Oft haben Hochschulen nur eingeschränkt Einfluss auf die Gebäudegestaltung, weil viele Baumaßnahmen von Landesbehörden wie dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) NRW durchgeführt werden, für den sie formal nur Mieter sind und für den Beschäftigte und Studierende keine Ansprechpartner*innen sind. Und über allem schwebt die Schwarze Null der Länderhaushalte, die anscheinend häufiger beim Inhalt der Gebäude wirkt als an der Fassade.

Mangelnder Informationsfluss behindert Mitbestimmung

Im Vorfeld einer Planung ist Information das Wichtigste: Wer plant beziehungsweise bezahlt? Wer sollen die Nutzer*innen werden? Wie groß und wo soll gebaut werden? Um genaue Auskünfte auf diese Fragen zu bekommen, müssen die PV oft hartnäckig nachbohren. Vor einer Baumaßnahme fallen Grundsatzentscheidungen, allerdings meist hinter verschlossenen Türen. Konzeptionelle Themen können in diesem Stadium eigentlich nur diskutiert werden, wenn die Hochschulleitungen auf die PV zugehen. Der Regelfall ist leider anders: Das Konzept für ein Gebäude wird von dem BLB beziehungsweise von der Hochschulleitung unter Ausschluss der (Hochschul-)Öffentlichkeit entwickelt. Ein alternativer konzeptioneller Ansatz kann daher nur mit guter Information und viel Beharrlichkeit eingebracht werden.
Solange die Neubauwelle anhält, haben auch Gewerkschaften vor Ort und in Bezug auf die politischen Rahmenbedingungen Möglichkeiten, die Kompetenzen ihrer in der Hochschulpraxis tätigen Mitglieder einzubrigen, zum Beispiel über konkrete Forderungskataloge zu guten wissenschaftlichen Lern- und Arbeitsorten.
Darüber hinaus gibt es auf verschiedenen Ebenen weitere gewerkschaftliche Ansatzpunkte: Wieso tummeln sich bei der öffentlichen Kernaufgabe „Hochschulbau“ zunehmend private Immobilienunternehmen? Ist das nötig oder nur eine neue Möglichkeit, öffentliche Gelder an den Zielgruppen vorbei in private Hand zu bringen? Welche Arbeitsbedingungen herrschen auf den Baustellen? Welche Folgen haben die letzten Liberalisierungen der Bauordnungen auf die in den „liberalisierten“ Gebäuden entstehenden Arbeitsplätze? Gibt es überall Tageslicht? Werden fragwürdige Materialien verbaut? Wie werden die Lernorte gestaltet – wie Orte, an denen sich Menschen zum Lernen und Forschen zusammenfinden oder wie ein Bankenviertel?

Personalvertretungen pochen auf ihr Anhörungsrecht

In der konkreten Ausführungsplanung gilt aus Sicht der PV das Anhörungsrecht. Das bedeutet, die Pläne müssen vorgelegt werden, damit die Vertreter*innen eine Stellungnahme abgeben können. Zwar ist das Anhörungsrecht an sich schwach, weil es keine direkte Sanktionsmöglichkeit gibt. Die Dienststelle muss die Anhörung aber so durchführen, dass die Stellungnahme in die weiteren Entscheidungen einfließen kann.
Die PV können diese Gelegenheit nutzen, um die wesentlichen Probleme bei einem Gebäude genau zu erfassen, gegebenenfalls durch mehrfaches Nachfragen. Sie sollten auch den Kontakt zu betroffenen Kolleg*innen suchen und sich Klarheit darüber verschaffen, wie das Lernen und Arbeiten später genau aussehen wird. Erfahrungsgemäß sind die Planungen in diesem Stadium schwer zu beeinflussen, denn die verschiedenen Beteiligten wie BLB, Hochschulleitung, Nutzer*innen und gegebenenfalls Investor*innen haben sich – vielleicht nur mühsam – geeinigt und betrachten die PV als lästiges Übel. An dieser Stelle können die PV schon frühzeitig klarmachen, wie sie sich zur Einrichtung der Arbeitsplätze positionieren.

GEW NRW steht Mitgliedern bei Problemen am Arbeitsplatz zur Seite

Unterstützung können sich Mitglieder auch von ihrer Gewerkschaft holen, wenn sie massive Bedenken bezüglich der Neubauten haben. Auch wenn die Organisationen bei Baumaßnahmen nicht wie bei den Gehältern über Tarifverträge beteiligt werden, beraten beziehungsweise vertreten sie ihre Mitglieder in allen Jobangelegenheiten. Insbesondere im Hochschulbau, wo 90 Prozent der wissenschaftlich Beschäftigten größtenteils mit einem Weiterbildungsgrund befristet beschäftigt sind, können Bauarbeiten bei laufendem Betrieb ein gravierendes Problem sein. Wie ist zum Beispiel die Weiterbildung als arbeitsrechtliche Gegenleistung für die Befristung des Jobs in der Realität möglich, wenn jahrelang rund um den Arbeitsplatz der Baulärm dröhnt?
Die Stunde der Wahrheit kommt spätestens dann, wenn die neuen Räume bezogen werden. Sofern die kritischen Anmerkungen der PV im Anhörungsverfahren nicht berücksichtigt wurden, können Nachbesserungen verlangt werden. Mal sind es schlicht zu viele Arbeitsplätze in einem zu kleinen Büro, mal sind Räume zu dunkel und mal ist der Straßenlärm zu laut. Die Zahl der Lösungsoptionen ist in dieser Phase nur noch begrenzt. So können zum Beispiel weitere Büros genutzt, Arbeitsräume gegen Besprechungsräume getauscht oder zusätzliche Lärmschutzvorrichtungen eingebaut werden. Die Rechtsstellung der PV ist an dieser Stelle stärker als bei der Anhörung: Die Einrichtung von Arbeitsplätzen kann abgelehnt beziehungsweise der Rechtsweg beschritten werden. Diese Option wirkt sich bei konsequenter Anwendung auch auf die Planungsphase des nächsten Projekts aus.
Wenn das Gebäude zu viele Mängel aufweist, kann die Hochschule theoretisch die Abnahme insgesamt verweigern; möglicherweise müssen die PV dafür zuerst die mangelnde Eignung gerichtlich feststellen lassen.

Kämpfen für die Gesundheit der Kolleg*innen lohnt sich!

In jedem Fall ist der Konflikt vorprogrammiert, denn die Planung orientiert sich an DIN-Normen und den liberalisierten Bauordnungen, die PV zum Beispiel an den Arbeitsschutzrichtlinien und arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen. Zwischen beiden Akteurinnen bestehen in Teilen deutliche Unterschiede. Da noch nicht sehr viele Neubauten im Zuge des aktuellen Hochschulbaubooms entstanden sind, fehlt es bisher an Erfahrungen, wie massive Konflikte letztlich ausgehen. Den PV wird zunehmend der Zusammenhang zwischen der baulichen Arbeitssituation und manchen psychischen Belastungen am Arbeitsplatz klar. Hier bestehen oft erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Kolleg*innen. Das Engagement lohnt sich!
Für die Gewerkschaften und ihre Mitglieder gibt es in dieser Phase verschiedene Handlungsoptionen: Einerseits bestehen hier klassische Rechte, die offensiver wahrgenommen werden können. Vertreter*innen der Gewerkschaften dürfen die Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz besuchen, sich die Verhältnisse vor Ort anschauen und mit der Hochschule in Verbindung treten beziehungsweise Rechtsschutz gewähren. Andererseits sollten die Gewerkschaften auch öffentlich klarmachen, dass für die Beschäftigten und Studierenden an den Hochschulen keineswegs Luxusinstitute verlangt werden, sondern es meist um Mindeststandards geht.
Bei ausgeglichenen öffentlichen Haushalten müssen endlich nach Jahren überfüllter und überalterter Hörsäle und Büros angemessene Orte für gute Arbeit und gutes Lernen möglich sein.


Gunnar Ketzler
Personalrat für den wissenschaftlichen Bereich an der RWTH Aachen

Foto: c_badeja

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