TVöD-Tarifrunde 2018: Jetzt geht es um unser Geld!

So entstehen die Tarifforderungen

Seit der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) 2005 für Bund und Kommunen und der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) 2006 eingeführt wurden, werden die beiden Tarifbereiche abwechselnd verhandelt und für jeweils zwei Jahre vereinbart. In diesem Jahr sind wieder die Beschäftigten in Bund und Kommunen mit ihren Tarifforderungen am Zug.

Zahlenmäßig ist der kommunale Bereich der wichtigste: Dort arbeiten rund 1,28 Millionen Tarifbeschäftigte, davon rund 240.000 im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst. Der Abschluss mit Bund und Kommunen wirkt darüber hinaus auf viele weitere Beschäftigte, unter anderem bei den großen Kirchen und bei vielen freien Trägern von Bildungs- und Forschungseinrichtungen.
In der GEW hingegen ist die kommunale Runde die kleinere: Für die angestellten und indirekt auch die verbeamteten Lehrkräfte, also die beiden größten Mitgliedergruppen der GEW, wird mit den Ländern verhandelt. Weil der kommunale Abschluss stets eine Leitwährung für die Länderverhandlungen im nachfolgenden Jahr ist, haben auch die Länderbeschäftigten ein Interesse an einem guten Abschluss
für die Kolleg*innen im kommunalen Dienst.

Gute Lohnabschlüsse mit Bund und Kommunen sind harte Arbeit

Manchmal entsteht der Eindruck, als sei eine Tarifrunde nichts anderes als ein veraltetes Ritual, dessen Ergebnis von Anfang an feststeht. Der Eindruck täuscht gewaltig: Bund und Kommunen, die im öffentlichen Dienst auf Arbeitgeberseite verhandeln, haben zwar durchaus ein Interesse an guten Lohnabschlüssen – weil dann ihre Steuereinnahmen steigen. Aber für ihre eigenen Beschäftigten wollen sie trotzdem so billig wie möglich davonkommen. Zeiten wie die 2000er Jahre, in denen die Lohnabschlüsse im öffentlichen Dienst weit hinter den guten Abschlüssen in der Industrie zurückblieben, fanden sie prima.
Nur dank der engagierten Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften ist es dem öffentlichen Dienst in den vergangenen Jahren gelungen, wieder Anschluss an die gesamtwirtschaftliche Lohnentwicklung zu bekommen. Das war alles andere als ein Selbstläufer!
Auch in diesem Jahr werden die öffentlichen Arbeitgeber ihren Beschäftigten nur unter entsprechendem öffentlichen Druck eine ordentliche Gehaltserhöhung zugestehen. Am Geld allein wird es 2018 sicher nicht scheitern. Die Steuereinnahmen sind auch 2017 wieder stark gestiegen – beim Bund um 6,8 Prozent und bei den Gemeinden um 6,7 Prozent. Der Arbeitskreis Steuerschätzungen rechnet auch für die kommenden Jahre mit einer ähnlich dynamischen Entwicklung.  Alle Kommunen zusammen haben ihre Verschuldung um insgesamt 4,6 Milliarden Euro abgebaut. Der Bund hat seine heilige Kuh, die schwarze Null, längst hinter sich gelassen und seine Verschuldung im Vergleich zum Vorjahr um über 30 Milliarden Euro verringert.

Gewerkschaftliche Forderungen basieren auf statistischen Größen

Doch welcher Prozentsatz wird als ordentliche Gehaltserhöhung empfunden? Für die Beschäftigten spielen ihre persönlichen Lebenshaltungskosten die entscheidende Rolle wie Mieten, Fahrkarten und Lebensmittel. Als gesamtwirtschaftliche Größe zur Begründung einer Lohnforderung eignen sie sich jedoch nicht. Deshalb greifen die Gewerkschaften hier auf zusammenfassende statistische Größen zurück. Die Wichtigste: der Index der Verbraucher*innenpreise, den das Statistische Bundesamt in Wiesbaden ermittelt. Er misst die Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte im Inland für Konsumzwecke kaufen.
Die Inflationsrate misst, wie stark sich der Verbraucher*innenpreisindex im Zeitablauf verändert. Im vergangenen Jahr haben sich die Verbraucher*innenpreise um 1,7 Prozent erhöht. Für 2018 rechnet das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung (IMK) mit 1,5 Prozent.  
Zur Begründung einer Lohnforderung wird stets noch eine weitere Größe hinzugezogen: der Anstieg der Arbeitsproduktivität. Volkswirtschaftlich betrachtet bildet sie das Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt (BIP) und der gesamtgesellschaftlichen Arbeitsleistung in Stunden ab. Das BIP ist die Summe aller in einem Zeitraum im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen. Bei Produktionsbetrieben leuchtet es sofort ein, dass die Beschäftigten an einer wachsenden Produktivität teilhaben wollen: Wenn die gleiche Belegschaft im vergangenen Jahr Waren im Wert von einer Million Euro produziert hat und in diesem Jahr Waren im Wert von 1,1 Millionen Euro, ist die Arbeitsproduktivität um zehn Prozent gestiegen. Das soll sich auch in höheren Löhnen niederschlagen.

Produktivität der Beschäftigten im öffentlichen Dienst

Weil der öffentliche Dienst keine Produkte verkauft, behelfen sich Statistiker*innen mit einem Trick: Sie ermitteln die Produktion über den Aufwand. Öffentlich Bedienstete sind dadurch rechnerisch umso produktiver, je mehr sie kosten. Gesamtwirtschaftlich hingegen schlägt sich die Produktivität eines funktionierenden öffentlichen Dienstes sehr wohl nieder: Wenn die Betriebe von guter Infrastruktur, hoher Rechtssicherheit und gut ausgebildeten Bewerber*innen profitieren, können sie bei gleichem eigenen Einsatz mehr produzieren. Es ist also durchaus legitim, wenn die Beschäftigten im öffentlichen Dienst ihren Anteil am gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt einfordern. Dieser lag im Jahr 2017
bei 0,8 Prozent. Für 2018 erwartet das IMK einen Wert von einem Prozent.

Tariflöhne müssen genauso stark steigen wie Kapitaleinkommen

Seit Jahren öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland immer weiter und der gesellschaftliche Reichtum wird zunehmend ungleicher verteilt. Dieser Missstand lässt sich nicht allein über Tarifverhandlungen lösen. Viele Menschen werden nicht nach Tarif bezahlt oder sind auf soziale Transferleistungen angewiesen. Gleichwohl ist ein wichtiges Ziel der Gewerkschaften, dass die Tariflöhne mindestens so stark steigen wie die Kapitaleinkommen.
Wird der Zuwachs der Produktion im gleichen Verhältnis auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmer*innenseite verteilt, verändert sich die sogenannte Lohnquote nicht. Das ist immer dann der Fall, wenn die Löhne im gleichen Umfang steigen wie die Summe aus Inflationsrate und Produktivitätsanstieg. Dieser Bereich wird als verteilungsneutraler Spielraum bezeichnet und liegt derzeit bei rund 2,5 Prozent – oder, wenn man anstelle der aktuellen Werte die Zielinflationsrate der europäischen Zentralbank von zwei Prozent sowie den langfristigen Produktivitätstrend zugrunde legt, bei gut drei Prozent. Die gewerkschaftlichen Forderungen enthalten zudem meist eine Umverteilungskomponente. Damit soll die gesamtwirtschaftliche Verteilung zugunsten der Arbeit verändert werden. Der Anteil der Lohneinkommen am BIP ist heute viel niedriger als in den 1970er Jahren. Diesem Trend wollen die Gewerkschaften entgegensteuern mit Tarifabschlüssen, die über den verteilungsneutralen Spielraum hinausgehen. Für die interne Forderungsdiskussion waren die Gewerkschaften Ende 2017 von einer Orientierungsgröße von sechs Prozent ausgegangen.


Gesa Bruno-Latocha
Tarifreferentin des GEW-Hauptvorstandes

Oliver Brüchert
Tarifreferent des GEW-Hauptvorstandes

Foto: MichaelJBerlin / photocase.de

 

TVöD-Verhandlungsrunden

Tarifrunde 2018 startet im Februar

Auftakt der TVöD-Runde ist am 26. Februar. Dann treffen sich die Verhandlungsspitzen zu einem ersten Gespräch: Bundesinnenminister, die Spitze der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und auf Arbeitnehmer*innenseite die Verhandlungsführer*innen von ver.di, GEW, GdP, IG BAU und dbb.
Weil niemand davon ausgeht, dass man sich bei diesem Treffen einigen wird, sind für März und April bereits zwei weitere Verhandlungsrunden vereinbart worden. Rund um diese Termine werden die Gewerkschaften erfahrungsgemäß zu Warnstreiks aufrufen, um ihren Forderungen durch das Engagement der Mitglieder und Streikteilnehmer*innen Nachdruck zu verleihen. Die Beschäftigten bei kommunalen Arbeitgebern können sich schon einmal auf lebhafte Streiks und Aktionen im Frühjahr freuen. Die Beschlüsse darüber, mit welchen konkreten Forderungen die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes in die Tarifrunde 2018 gehen werden, werden planmäßig erst in der zweiten Februarwoche gefasst. Deshalb finden sie in dieser Ausgabe der nds noch keinen Platz.


0 Comments
Kommentieren
Die mit (*) gekennzeichneten Felder sind Pflichtfelder.

Kommentare (0)

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Lassen Sie es uns wissen. Wir freuen uns auf Ihr Feedback!
24
Ihre Meinung? Jetzt kommentieren