Kein Podium für Faschismus

Im Gespräch mit Eva Wanneck

Politik und Demokratie hautnah in der Schule erleben – das hat Eva Wanneck im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 möglich gemacht: Gemeinsam mit ihren Schüler*innen organisierte die Lehrerin
der Gladbecker Anne-Frank-Realschule eine Podiumsdiskussion mit Bundestagskandidat*innen aus dem Wahlkreis der Schule. Dass der AfD-Kandidat keine Einladung erhielt, war eine bewusste Entscheidung – und schlug hohe Wellen. Mit Eva Wanneck sprach die nds über den antifaschistischen Erziehungsauftrag von Schule.

nds: Im Vorfeld der Bundestagswahl haben Sie mit einer zehnten Klasse im Rahmen des Sozialwissenschafts-
unterrichts eine Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen der Parteien organisiert. Die AfD haben Sie bewusst nicht eingeladen – warum nicht?

Eva Wanneck: Normalerweise interessieren sich
15- bis 16-Jährige nicht besonders für die üblichen Berliner Parteien. Die Politisierung im Bundestagswahlkampf greife ich daher gerne auf. Mein aktueller Zehner-Sowi-Kurs war einstimmig für die Podiumsdiskussion. Wir erarbeiteten Fragen, bereiteten die Moderation und den organisatorischen Ablauf vor. Acht Direktkandidat*innen gab es in unserem Wahlkreis: für CDU, SPD, FDP, die GRÜNEN, die Linke, die Internationalistische Liste / MLPD sowie DKP – und auch für die AfD.
Gegenüber den Schüler*innen und der Schulleitung begründete ich, dass nur demokratische Kandidat*innen eingeladen werden und damit auf keinen Fall Alfred Stegmann, der Kandidat der ultrareaktionären, faschistoiden AfD. Mit dieser Haltung schwamm ich bewusst gegen den medialen Mainstream im Wahlkampf, der der AfD ein unsägliches Podium bot, was ihren Wahlerfolg wesentlich bedingte. Für mich war klar: An einer Realschule, die nach Anne Frank benannt und Teil der Bewegung „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist, gibt es keinen Platz für rassistische Hetze. Das habe ich auch auf der mit über 90 Schüler*innen gut besuchten Podiumsdiskussion eindeutig und unter einmütigem Applaus aller Anwesenden so vertreten.
Mich empört, wenn von den Medien und zum Teil im Bundestag die AfD wie eine Partei wie jede andere behandelt wird, während durch sie heute wieder zahlreiche ausgemachte Faschist*innen im Bundestag hocken und ihr auch noch der Nimbus einer Protestpartei angedichtet wird.

Wie reagierte die AfD?

Über einen sehr positiven WAZ-Artikel zur Podiumsdiskussion erfuhr der AfD-Kandidat Alfred Stegmann von seiner Nichteinladung – und schäumte. Er schrieb eine E-Mail an meine Schulleitung und hetzte auf seiner Homepage „Wahlkampf mit Schulkindern und linksextremen Parteien in Gladbeck“. Dabei beschimpfte er in einem wüsten, antikommunistischen Rundumschlag mich und meine Schule. Dem SPD-Kandidaten Michael Gerdes unterstellte er geradezu hysterisch einen „Schulterschluss mit den Kommunisten der MLPD und DKP“.
Er verstieg sich zu der Behauptung, die AfD habe rein gar nichts mit Rassismus zu tun. Das ist allerdings typisch für die Außendarstellung der AfD, die genau weiß, dass sie mit offen faschistischen Tönen, wie sie die NPD oder Die Rechte anschlagen, bei den Menschen nicht ankommt. Gerade deshalb maskiert sie sich als bürgerliche, rechtskonservative Partei. Tatsächlich bietet die AfD Leuten wie Björn Höcke, mit Verbindungen zu faschistischen und ultrarechten Parteien wie dem französischen Front National oder der österreichischen FPÖ, eine Plattform.

Wie ist Ihre Schule mit den Anfeindungen der AfD umgegangen? Wie reagierten Schüler*innen, Kolleg*innen und Schulleitung?

Mein Schulleiter informierte mich über die E-Mail von Alfred Stegmann. Für ihn war klar, dass die Nichteinladung richtig war. Er wollte dem AfD-Kandidaten kein Podium bieten und entschied daher, auf die nur an ihn gerichtete E-Mail nicht zu antworten.
Im Kollegium war die Podiumsdiskussion auf positive Resonanz gestoßen: Verschiedene Kolleg*innen sprachen mich an, gratulierten zum klaren Statement gegen die AfD und drückten ihren Respekt aus. Etliche Kolleg*innen drückten ihre Sorge über dieses Aufputschen der AfD und eine rechte Tendenz insbesondere gegen Geflüchtete aus. Einzelne Kolleg*innen fragten aber auch, ob es richtig sei, die AfD auszuladen und zugleich Vertreter*innen linker Parteien einzuladen.
Unter den Schüler*innen gab es zum einen klare Zustimmung für mein Engagement gegen Rassismus und Faschismus. Bei einigen wirkte aber auch eine Verunsicherung, ob die AfD nicht doch eine Protestpartei sei. In manchen Elternhäusern wurde schließlich AfD gewählt, im Irrglauben, man wische der verhassten Merkel-Regierung damit eins aus. Alles in allem: jede Menge Stoff zur weiteren Diskussion.

In einem offenen Brief haben Sie Stellung zu den Ereignissen bezogen und noch einmal klare Kante gegen Rechtspopulismus und Faschismus gezeigt. Warum war das aus Ihrer Sicht notwendig?

Auf der Webseite des AfD-Politikers Stegmann wurde ich namentlich öffentlich angegriffen, ebenso Teilnehmer*innen der Diskussion wie Michael Gerdes von der SPD und unsere Schule. Das konnte und wollte ich so nicht stehen lassen. Das Wahlergebnis der AfD zeigt ja, dass wir es hier mit einer – von den Medien und Kräften aus der CDU – bewusst beförderten rechten Tendenz zu tun haben, auf die wir auch an der Schule gegenüber unseren Schüler*innen eine klare demokratisch-antifaschistische und antirassistische Antwort geben müssen. Alfred Stegmann hat mich in Denunziant*innenmanier attackiert: „die der linksextremen MLPD nahestehende Lehrerin Eva Wannek an der Anne-Frank-Realschule in Gladbeck“, heißt es auf seiner Webseite.
Tatsächlich ist die AfD extrem! 65 Millionen Menschen müssen weltweit vor Kriegen, Hunger oder Umweltkatastrophen fliehen! Das ist eine schreiende Anklage gegen das weltweite kapitalistische System, in dem für Höchstprofite von Konzernen und Regierungen über Leichen gegangen wird. Wenn Ultrarechte und Faschist*innen jetzt Geflüchtete zum Sündenbock wachsender sozialer Ungleichheit und Kriminalität abstempeln, müssen alle Demokrat*innen klare Kante zeigen.
Ich wollte auch Stellung beziehen gegen die unsägliche Linksextremismus-Hetze und die Totalitarismustheorie, die mit der Gleichsetzung der Begriffe „links“ und „rechts“ alle kriminalisieren will, die sich auch eine andere Gesellschaft als den auf Ausbeutung und Unterdrückung basierenden Kapitalismus vorstellen können. Für mich war es eine demokratische Selbstverständlichkeit, den Kandidat*innen von der DKP oder der Internationalistischen Liste / MLPD, die in den Medien weitgehend als nichtexistent behandelt werden, die Möglichkeit zu geben, ihre Positionen gleichberechtigt zu vertreten.

Wie geht es nun an Ihrer Schule mit der Antifaschismusarbeit weiter? Haben Sie Projekte geplant?

Unsere Schule nimmt zum Beispiel schon seit vielen Jahren am Stolperstein-Projekt teil, besucht KZ-Gedenkstätten mit den Schüler*innen oder führt Anne-Frank-Projekttage durch. Ich bin mir mit vielen Kolleg*innen einig, dass wir diese Arbeit intensivieren müssen, um gegen das weitere Hoffähigmachen der AfD oder den Irrglauben vorzugehen, mit der AfD Protest auszudrücken. Unter der Losung ‚Wehret den Anfängen!‘ sollten wir diese antifaschistische und antirassistische Erziehungsarbeit systematisieren und über die verschiedenen Jahrgänge und Fächer gründliche antifaschistische Aufklärung leisten. Mit Manipulation unserer Schüler*innen hat das nichts zu tun, auch wenn AfD-Vertreter*innen das gern behaupten. Vielmehr sind Antirassismusarbeit und antifaschistische Aufklärung grundlegender demokratischer Erziehungsauftrag für alle, die die deutsche Geschichte kennen und ernst nehmen.

Was wünschen Sie sich von Ihren Kolleg*innen in Schule und Gewerkschaft, damit Faschismus und Rechtspopulismus in unserer Gesellschaft nicht weiter Fuß fassen können?

Mein Großvater war selbst als Mitglied der KPD im antifaschistischen Widerstand und wurde unter Adolf Hitler dafür ins Gefängnis geworfen. Das ist mir heute auch eine persönliche Verpflichtung, mich klar gegen Faschismus und seine Wegbereiter*innen – wie die AfD – zu positionieren und für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpfen. Ich bin überzeugte Gewerkschafterin, weil wir nur gemeinsam und organisiert erfolgreich für eine lebenswerte Zukunft kämpfen können. Das ist umso wichtiger angesichts des derzeitigen Rechtsrucks diverser Regierungen und einer besorgniserregend gestiegenen Kriegsgefahr. Ich bin froh, dass sich die GEW auch gegen die AfD klar positioniert hat. Herzlichen Dank auch für die solidarischen Grüße von der stellvertretenden Landesvorsitzenden der GEW NRW, Maike Finnern. Ich finde wichtig, dass wir uns in der Bildungsgewerkschaft stärker austauschen über unsere antifaschistischen Aktivitäten, erfolgreiche Projekte und gutes Unterrichtsmaterial. Außerdem wünsche ich mir, dass wir künftig bei Anlässen wie den Jahrestagen am 8. Mai und am 1. September zu gemeinsamen Projekten aktiv werden.


Die Fragen für die nds stellte Anja Heifel.

Fotos: CL. / photocase.de; privat

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